Statistik 2021

Der Wind hinterlässt Spuren.

Am Ende des Jahres ist die Zeit der Inventur. Für eine Kirchengemeinde kommt dann die statistische Erhebung. Es sind zunächst nüchterne Zahlen für 2021:

  • Taufen                                               26 davon 2 Erwachsene
  • Erstkommunion                               24 Kinder und fünf Erwachsene
  • Firmungen                                        32 Gemeindemitglieder
  • Eheschließungen                              6
  • Beerdigungen                                  46 Gemeindemitglieder kirchlich beerdigt 
  • Kirchenaustritte                              69
  • Rekonziliation, Wiederaufnahme   0
  • Konversion                                         1

Anmerkungen zu der Statistik

Zum 31.12.2021 zählte unsere Kirchengemeinde St. Josef Mühlhausen 6038 Gemeindemitglieder. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren verlieren wir zwischen 100 und 120 Gemeindemitglieder pro Jahr. Das heißt für 2022, dass wir Ende des Jahres keine 6000 Gemeindemitglieder mehr haben. Dies hat Auswirkungen bei den nächsten Gremienwahlen, weil dort auch die zu wählenden Mitglieder sich verringern. Ebenso hat das Auswirkungen auf die Zuweisungen, die wir vom Bistum Erfurt bekommen. Ich schreibe das jetzt einfach mal so: Bei gleicher Fläche und bei gleicher „Versorgung“ und weniger geldlichen Möglichkeiten müssen irgendwann Einsparungen vorgenommen werden, um geschäftsfähig bleiben zu können. Dieser Trend betrifft aber alle Kirchengemeinden in unserem Bistum.

46 Gemeindemitglieder wurden kirchlich beerdigt. 101 Gemeindemitglieder sind gestorben. Es ist eine bittere Bilanz, dass 54 % der Gemeindemitglieder sich nicht mehr haben kirchlich beerdigen lassen. Es mag mehrere Gründe dafür geben: Distanz zur Kirche, Entfremdung zur Kirchengemeinde oder einfach auch Gleichgültigkeit der Angehörigen im Falle des Todes eines lieben Verstorbenen. Wir, als Gemeinde und Mitarbeiter, sind gern bereit, jedem Gemeindemitglied eine würdige Verabschiedung zu gestalten. Entgegen aller, an einer Beerdigung Beteiligten, schreiben wir als Kirchengemeinde keine Rechnung, sondern sind für eine Spende dankbar.

Ein weiterer Punkt: Jeder Kirchenaustritt schmerzt mich sehr. Das sage ich nicht nur so dahin. Ich kann es bei der jetzigen kirchlichen Situation durchaus verstehen, wenn Gemeindemitglieder sagen: „Mit dem Verein will ich nichts mehr zu tun haben.“

Der sexuelle Missbrauch an Menschen hat die Kirche in eine tiefe Krise gestoßen. Diese schändlichen und menschlich zu verachtenden Taten sind mit nichts zu rechtfertigen. Sie haben allen Betroffenen ihre Würde genommen und der Seele großen Schaden zugefügt. Die Verantwortlichen der Kirche haben die Täter in der aktuellen Situation nicht bestraft, höchstens versetzt und den Betroffenen keine oder nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Da ist es gut, dass seit über zehn Jahren daran gearbeitet wird, die Vorgehens- und Verhaltensweisen aufzuarbeiten. Dieser Skandal hat das Verhältnis zum Missbrauch in der katholischen Kirche hinsichtlich der Betrachtungsweise völlig verändert. Auch wenn es öffentlich nicht gern gehört wird, ist die katholische Kirche die einzige Institution, die bis jetzt so konsequent aufarbeitet, wie keine andere, auch wenn immer neue Betrachtungsweisen der Aufarbeitungen dazu kommen. Was aber fehlt, ist eine Einheitlichkeit unter den Bistümern. Jeder kocht sein eigenes Süppchen. Die Aufarbeitung wird und muss noch weiter gehen.

Auch in anderen europäischen Ländern gab es unter dem Dach der katholischen Kirche Missbrauch, der noch nicht umfänglich aufgearbeitet ist. Viele Länder werden noch folgen müssen. Mit jeder weiteren Veröffentlichung wird ein großer Schrei durch die Medien ziehen. Da ist es egal, ob es Brasilien betrifft oder Polen. Es ist die katholischen Kirche. Und wir gehören dazu. Die Aufarbeitung muss sein, muss wahrgenommen werden und wird immer wieder Entsetzen hervorrufen. Doch für Deutschland frage ich mich nach der Verhältnismäßigkeit. Andere Institutionen und Vereine kommen in der Bewertung kaum vor. Wird da noch aufgearbeitet oder gab es keine Vorfälle? Selbst der deutsche Staat ist da in seiner Verantwortlichkeit noch in der Bringschuld, was in den Heimen der staatlichen Verantwortlichkeit geschah. Ebenso die Aufarbeitung, was in den Kinderheimen und Jugendwerkhöfen der DDR an sexuellem Missbrauch geschah. Das meine ich mit Verhältnismäßigkeit. Die Kirche hat ihre Arbeit unter einen moralischen Anspruch gestellt. Das macht den sexuellen Missbrauch dadurch noch dramatischer.

Die Kirchenaustrittszahlen sind enorm gestiegen, die mit dem Missbrauch und mit dem Umgang der Kirche im Zusammenhang stehen. Ohne etwas zu beschönigen oder relativieren zu wollen, hilft mir das Bild der Familie: In einer Familie „läuft“ auch nicht alles zur Zufriedenheit. Da werden Fehler gemacht, da wird gelogen, vielleicht auch betrogen. In der Familie verletzt man sich gegenseitig durch das Verhalten. Kinder schlagen einen anderen Weg ein, als die Eltern es wünschen; wählen einen Partner, der nicht ins Familienbild passt; werden drogenabhängig oder straffällig. Eine Familie hält erst einmal zusammen, trägt es im Inneren mit, ohne es nach außen zu tragen. Wenn eine schlimme Tat an die Öffentlichkeit kommt, ist das beschämend und peinlich.

Bei solch schlimmen Vergehen, wie dem Missbrauch, hätte es diese Taktik der Kirche nicht geben dürfen, zumal die Opfer nicht im Blick gewesen sind.

Da gilt der Grundsatz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aber die Kirche ist eine Gemeinschaft der Glaubenden, eine Glaubensfamilie. Die Taufe hat uns in die Familie der Kirche eingegliedert. Ja, der sexuelle Missbrauch in unserer Kirche ist ein großes Vergehen, die Institution eingeschlossen. Aber sich deshalb von der Glaubensfamilie Kirche trennen? Die meisten Kirchenmitglieder schämen sich für das Vorgehen und Verhalten einzelner Mitglieder. Es schmerzt und tut weh. Eine Familie hat bei allen Verfehlungen auch gute Seiten. Das sollte immer auch immer mit in Betracht gezogen werden. Solange es die Kirche gibt und geben wird, ist Kirche eine Kirche der Sünder. Jesus Christus ist zu den Sündern gekommen und möchte sie durch sein Wort und sein Sakrament heilen. Und das ist auch Kirche.

Gott möge uns alle und seine Kirche auf einen guten Weg in die Zukunft begleiten.

Andreas Anhalt, Pfarrer

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