Ein Vortrag über das Leben in der Ukraine.
Ukrainisch - Deutscher Verein Mühlhausen e.V.; Vorträgerin Roksolana Zadorozhna
Völkermord

Dieses Wort ist dem Ukrainischen Volk, meinem Volk, leider sehr bekannt. Seit Jahrhunderten begeht Russland Völkermorde an meinem Volk. Das jüngste dauert seit drei Jahren. Russland hasst alles ukrainisches und schenkt keine Anerkennung der Ukraine, dem Ukrainischen Staat und dem Ukrainischen Volk. Wir sind keine Brüder mit Moscovia, die sich Nachfolgerin der Kyiver Russ nennt, nachdem sie selbst Kyiver Russ vernichtete und ihren Ruhm und Macht klaute. Die erste schriftliche Erwähnung des Begriffes “die Ukraine” erscheint schon im Jahr 1187, währenddessen Moscovia erst nach über 100 Jahre entstand.
Seit drei Jahren tobt mitten in Europa putins völkerrechtswidriger, grausamer Krieg. Jeden Tag sterben in unserer Heimat Zivilistinnen und Zivilisten, Soldatinnen und Soldaten, tausende Häuser, Straßen und Infrastruktur werden zerstört, jeden Tag leiden Menschen. Zehntausende werden vermisst und unzählige davon sind in der russischen Gefangenschaft.
In jeder Stadt meines Landes sind neuentstandene Alleen: lange Reihen von den Portraits der Verteidiger , die ums Leben gekommen sind. Diese langen Reihen von großen Bilder der Menschen, mit schwarzem Band, ist etwas schmerzhaftes tiefberührendes. Hunderte Fotos der guten, tapferen zuverlässigen Menschen, die ihr Leben für unseren Frieden gegeben haben. Stellen sie sich vor, in der Innenstadt, in ehemaligen Einkaufs-und Freizeitvierteln stehen heutzutage diese Alleen der Trauer und des Mitleides.
Wie viele Verteidiger sind überhaupt umgekommen? - die Zahl ist riesig, Hunderttausende.
Getötete Zivilisten und Zivilistinnen: 11936 Erwachsene, 609 Kinder,
Verletzte Zivilisten und Zivilistinnen: 27324 Erwachsene und 1854 Kinder. Das sind die Zahlen von November 2024, sie nennt eine deutsche Behörde für Statistik, heutzutage sind die Zahlen noch höher.

Ein Beispiel des Maßstabes der Angriffe Russlands auf die Ukraine aus der Luft: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Zahlen zu russischen Luftangriffen mit Bomben und Raketen genannt, die auf eine Zunahme in der vergangenen Woche hindeuten. Demnach habe Russland etwa 1.220 Fliegerbomben, mehr als 850 Drohnen und 40 Raketen auf die Ukraine abgefeuert. In der Woche zuvor seien es 1.206 Bomben, 750 Drohnen und zehn Raketen gewesen. Es ist nicht so wichtig wann und in welcher Woche genau das passiert ist, wichtiger ist es zu begreifen wie massiv die Attacken sind. Das geschieht oft seit drei Jahren, im Osten des Landes - seit 11 Jahren. Und in diesen allen Umständen leben Menschen, sie müssen leben, sie wollen leben, und sie leben.
Ich bin ab und zu dort in der Ukraine, bei meinen Eltern, im westlichen Teil des Landes. Da ist der Krieg nicht so fürchterlich aber auch spürbar. Luftalarme sind mehrmals pro Tag, Sirenen, Tränen, zahlreiche Bestattungen von den Fronthelden prägen den Alltag . Dazu noch Stromausschaltungen und Ausfälle, Kälte, Krankheiten, schlechte wirtschaftliche Situation, Geldmangel, Lebensmittelmangel, Medizinmangel. Wie kann man überhaupt das alles überstehen, durch das alles durchkommen fragen Sie? - ich habe nur eine Antwort: Dank dem Gott, um Seinen Willen. Dank dem Glauben der Ukrainnerinnen und Ukrainner an Gottes Plan, Fügung und an Seine Gnade. Er gibt uns allen Kraft und Mut. Die Menschen in der Ukraine sind sehr gläubig. Wir fasten, beten, hoffen, helfen, lieben und bitten um Gnade. Wir können ganzem Elend widerstehen auch dank anderen Menschen, anderen Ländern, wo es besser geht.
Ich persönlich war niemals in einem Schutzraum, Schutzraum vor Bomben. Ich habe mir nur vorgestellt, wie es wäre, was ich tue…
So entstand ein Text von mir, an einem Tag 2022, wenn das Land massiv bombardiert wurde.
Auf der Suche nach dem Licht.

Laute Bombenexplosionen. Schrei und Stöhnen. Feuer und Brände. In den Schutzraum! Sofort! War der Befehl und alle begaben sich nach unten. Bis die Schutzsuchenden ihre Plätze gefunden haben war der Strom aus. Infrastruktur wurde beschädigt. Kein Licht mehr. Es wurde dunkel. Man kann kaum was sehen. Kein Internet, kleine Kerzen und Taschenlampen geben nicht so viel Licht um lesen zu können. Was tun? Die Leute haben kaum Lust zu reden. Finsternis. Hoffnungslosigkeit. Es dauerte eine Weile. Wie lange noch? Wo ist die Lösung? Was tun? Der Verstand suchte nach den Antworten. Der Verstand weiß, dass Licht existiert. Überhaupt. Dass es die Quelle des Lichtes gibt. Auch ohne Strom und Kraftwerke. Aber was und wo ist die Lichtquelle? Plötzlich tauchen im Gedächtnis ein paar Worte auf, die ich mal erlernt habe. “Gib mir Dein Licht und Deine Wahrheit! Sie sollen mich zurückfahren zu Deinem heiligen Berg, in den Ort, wo du wohnst!” Oh, Gott, diese Worte aus Psalm 43 schmelzen wie Butter in meiner Seele hinein. Stück für Stück fielen die Worte, Zeilen, Texte ein. Sie tauchten in meinen Gedanken, in meinem Verstand und meinem Herzen auf .
“Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser “(PS.23:1)
“Wer unter dem Schatten des Höchstens sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: meine Zuversicht und meine hohe Burg, mein Gott, auf Dem ich hoffe!”(PS.91:1)
“Verstosse mich nicht aus deiner Nähe und nimm Deinen Heiligen Geist nicht von mir.(PS.51:1)
Gottes Mutter, Gib uns Deinen Schutz, führe uns zu deinem Sohn…”

Ganze Texte wurden in meiner Muttersprache, auf ukrainisch vorgetragen. Ich spürte, wie mein Herz frei und reich wurde. Ich spürte die Ruhe, zu der die Menschen um mich herum kamen. Die Spannung, Angst und Furcht wurden zerstreut, es wurde heller, lockerer, leichter auch ohne Strom. Das Licht unserer Herzen beleuchtete uns und den Raum. Danke Dir, Gott, für Dein ewiges heiliges Wort, für die Samen, die Du in meiner Seele je gesät hast. Heute verfüge ich über den Schatz, der nicht verbrennt, nicht im Wasser untergeht, nicht verfault. Ich besitze den nachhaltigen Schatz: Gottes Wort und Gottes Licht sind in meiner Seele eingesiedelt.
“Nicht schrecklich sind die Lebensstürme dem, in deren Herzen der Leuchtturm Deines Feuers strahlt. Rundherum sind Unwetter und Finsternis, Schrecken und Wehen des Windes. Doch in der Seele bei Ihm sind Stille und Licht. Dort ist Christus! Und das Herz singt: “Alleluja”
Kontakio 5
Akhatistos “Ehre sei Gott für alles”
© Roksolana Zadorozhna
Mühlhausen 15-23.02,2025